Legendäre Maibaumwächter: Bene Stiegler, Bernhard Keimeleder und Seppi Weber (v.l.) passen gut auf die 33 Meter lange Fichte auf.
Seit 1972 hat niemand das Pracht-Stangerl klauen können – wie machen die das bloß?
Finsing – Hier haben Diebe keine Chance – und das seit über einem halben Jahrhundert. Seit 1972 haben sich die Finsinger Burschen keinen Maibaum mehr klauen las-sen. Das ist eine kleine Weltsensation. Alle fünf Jahre stellen sie einen auf, auch heuer. Jetzt, während der Stüberl-Zeit, sind jede Nacht Aufpasser da. Mehrmals pro Woche versuchen Vereine aus dem Umkreis, den 33 Meter langen Baum zu stehlen. Vorsitzender Bene Stiegler (28), Seppi Weber (27) und Bernhard Keimeleder (37) vom Burschenverein Finsing im Landkreis Erding verraten, was ihr Erfolgsgeheimnis ist.
Seit mehr als 50 Jahren habt ihr euch keinen Maibaum stehlen lassen: Wie groß ist der Druck?
Bernhard Keimeleder: Den Druck machen wir uns selber, weil wir nicht wollen, dass uns jemand den Maibaum klaut. Wir haben viel Ehrgeiz.
Wie knapp war es schon mal? Der Maibaum muss schließlich die Ortsgrenze verlassen, damit er als gestohlen gilt.
Seppi Weber: Der Maibaum ist vor ein paar Jahren schon auf den Nachläufern, also den Maibaum-Wagerln, gelegen, aber zu Fahren ist er noch nie gekommen.
Was waren bisher die besten Klau-Versuche?
Seppi Weber: Die Anzinger Burschen sind 2014 mit einer riesigen Greifzange gekommen und wollten den Maibaum vom Unterbau rausziehen. Aber daraus wurde nichts.
Bene Stiegler: Der Klassiker ist, dass man die Leute im Maibaumstüberl mit Holzbrettern einsperrt. Uns ist das auch schon passiert. Da haben wir uns dann durch ein kleines Fenster gedrückt. Die Schlaksigen kamen durch – und haben den Maibaum gerettet.
Ihr seid erfolgreicher als andere Burschenvereine. Gibt es bei euch ein Alkoholverbot?
Seppi Weber: So ein Verbot würde von unseren Mitgliedern nicht akzeptiert werden (lacht)
Kann die Wache mit Alkohol intus dann noch wachsam bleiben?
Bene Stiegler: Letzte Woche, gleich in der ersten Nacht, haben es drei Burschenvereine miteinander probiert. Weil sie gemeint haben, die Vorstandschaft ist betrunken und gneißt nichts. Wir hatten auch einige Biere getrunken, aber wir waren noch voll da.
Wie schafft ihr es, alle Diebe auflaufen zu lassen?
Seppi Weber: Ein bisschen Glück gehört immer dazu, aber es ist auch viel Leidenschaft. Manche Wachen stehen um drei oder vier auf und sind bis zehn oder elf da, wenn die Uni erst mittags losgeht. Und danach bewacht vielleicht ein Landwirt, der gerade Mittag macht. Oder ein Rentner, also ein Papa von den Burschen. Wer Zeit hat, schaut drauf.
Also Bewachung rund um die Uhr?
Bene Stiegler: Die haben wir nicht einmal. Der Feind muss halt die Zeitfenster erraten, in denen keiner da ist.
Seppi Weber: Wer als Wache eingeteilt ist, muss aber auch da sein. Wenn der Maibaum geklaut wird, kostet das 100 Liter Bier und eine Brotzeit. Das ist unsere Motivation – und, dass sich keiner nachsagen lassen möchte, dass er der Erste ist, dem der Baum geklaut worden ist.
Habt ihr technische Hilfsmittel?
Bene Stiegler: Wir haben einen Bewegungsmelder für die Scheinwerfer hinten beim Müll. Der hat auch schon paar Diebe verraten. Sonst haben wir nix.
Seppi Weber: Uns hat tatsächlich eine Sicherheitsfirma aus Baden-Württemberg kontaktiert, ob wir Kameras möchten, aber der Verein war geschlossen dagegen. Entweder wir schaffen es so, oder wir haben Pech gehabt.
Auch manche Maibaum-Diebe arbeiten mit Hightech.
Bene Stiegler: Es ist sogar schon eine Drohne über unser Stüberl geflogen. Die haben dann mit einer Thermo-Kamera geschaut, wie viele Leute zum Bewachen da sind.
Was hat sich seit 1972 noch verändert?
Bernhard Keimeleder: Dass man Leute mit dem Handy anrufen kann, wenn man eingesperrt ist – das hat es früher nicht gegeben. Teilweise rufen uns auch Anwohner an, dass gerad jemand zum Klauen da ist.
Seppi Weber: Es gibt auch Diebe, die nicht mitdenken – da können wir dann auf Snapchat oder WhatsApp sehen, dass sie um drei in der Früh noch online sind.
Klaut ihr eigentlich auch?
Seppi Weber: Ja, letztes Jahr zum Beispiel. Meistens klauen wir in der Nacht. Die alten Burschen vom Verein haben erzählt, dass sie aber auch mal am Vormittag während der Ostermesse einen Maibaum geklaut haben.
Je länger ihr unbestohlen bleibt, desto mehr wollen es die benachbarten Vereine schaffen.
Seppi Weber: Heuer ist es schon extrem. Es sind zwar immer die Gleichen, aber die probieren es fast jeden Tag.
Bene Stiegler: Die wollen es auf Teufel komm raus. Wir haben in der Nacht schon welche erwischt, die dann drei Stunden später wiedergekommen sind.
Was wäre, wenn es doch mal wer schafft, euren Maibaum zu entführen?
Seppi Weber: Dann sei es ihm vergönnt.
Interview: Lea Warmedinger (Quelle: Münchner Merkur)